Wie in unserem Artikel über psychologische Aspekte nachhaltiger Mobilität bereits angesprochen, vermuten Forscher eine neuronale Grundlage von Einstellungen. Diese zeigen sich in Form eines Netzwerkes, in der einzelne Repräsentationen miteinander verbunden sind. Diese Theorie wurde unter anderem im Inno-Mind-Modell festgehalten. Diese Einstellungskomponenten können verändert werden, zum Beispiel durch Kommunikation. Auch die affektive Einstellungskomponente, also die emotionale Komponente, ist durch nonverbale und emotionale Signale modifizierbar, wenn wir zum Beispiel voller Begeisterung von etwas erzählen.
Die Sozialpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit soziale Einflüsse auf die Einstellungen von Menschen wirken können. In diesem Kontext spielt der Begriff „Soziale Homophilie“ eine wichtige Rolle. Dieses Phänomen besagt, dass Individuen dazu neigen, bevorzugt mit Personen zu kommunizieren, die ihnen in demographischen Merkmalen, Einstellungen und Werten ähnlich sind. Die Menschen streben also nach einer Übereinstimmung ihrer Werte und alltäglichen Entscheidungen. Dies spielt auch eine Rolle, wenn wir die Bevölkerung in „Mobilitätstypen“ aufteilen würden, da die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Verkehrsmittel auf Basis der Einstellung der Menschen
passiert.
MonForSense
In diesem Beitrag schauen wir uns eine Erhebung namens „MonForSense“ der Fachhochschule Potsdam und der Freien Universität Berlin etwas genauer an.
Das Ziel der Forscher war es, aktuelle Mobilitätseinstellungen und Mobilitätstypen in Deutschland zu identifizieren. Dafür wurden im Jahr 2016 über 6000 deutsche Einwohner im Rahmen einer Onlinestudie befragt.
Mobilitätstypen
Die Befragten machten in einem ersten Schritt Angaben zu ihren kognitiven und emotionalen Einstellungen.
Dabei wurden folgende sechs Mobilitätstypen identifiziert, die sich in Eigenschaften, Selbsteinschätzung und der Meinung zu Mobilitätsalternativen unterscheiden.
Kostenbewusste Pragmatiker
Mit etwa 35% bilden die kostenbewussten Pragmatiker das größte Segment im Bereich der Mobilitätstypen. Sie sind am häufigsten zu Fuß unterwegs und nutzen oft den öffentlichen Nahverkehr in Form von Bus und Bahn. Das Segment beschreibt vor allem Frauen mit geringem Einkommen und geringer Lebenszufriedenheit aus mittel- bis großen Städten. Bei der Auswahl der Mobilitätsform spielen emotionale Faktoren, wie Prestige oder Komfort, eher eine untergeordnete Rolle.
Innovationsorientierte Progressive
Dieses Segment stellt weitestgehend das Gegenteil der kostenbewussten Pragmatiker dar: Diese Personen sind vorwiegend männlich, beschreiben sich selbst als innovativ und risikobereit und sind mit ihrer derzeitigen Lebenslage zufrieden. Die jüngste Gruppe aller identifizierten Mobilitätstypen nutzt überdurchschnittlich oft das Auto und das Fahrrad im Alltag. Das Auto spiegelt für die innovationsorientierten Progressiven die Bedürfnisse am besten wider, denn es ist flexibel, sicher und zeiteffizient. Dennoch ist dieser Mobilitätstyp auch offen für neue Mobilitätsalternativen.
Umweltorientierte Meinungsführer
Ungefähr ein Zehntel der Befragten machen den umweltorientierten Meinungsführers aus. Diese Personen nutzen am häufigsten die öffentlichen Verkehrsmittel, das Fahrrad oder sind zu Fuß unterwegs. Ganz klar: Ein umweltorientierter Meinungsführer bevorzugt umweltfreundliche Mobilitätsalternativen. Dabei ist eine Person dieser Zielgruppe mit einer hohen Wahrscheinlichkeit relativ jung, gut gebildet, kinderreich und sie lebt vorrangig in Großstädten. In der Selbsteinschätzung sieht sich diese Gruppe als „innovativ“ und „risikobereit“, deswegen ist sie gegenüber Innovationen im Mobilitätsbereich auch sehr aufgeschlossen.
Komfortorientierte Individualisten
Komfortorientierte Individualisten nehmen einen Anteil von etwa 11% bei den Teilnehmern der Online-Befragung ein. Wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, nutzt diese Gruppe im Alltag am häufigsten den PKW und entscheidet sich nur selten für das Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Gruppe der komfortorientierten Individualisten besteht zum größten Teil aus Männern, verfügt über das durchschnittlich höchste Einkommen und lebt vorwiegend in kleineren Städten oder Dörfern. Generell sind diese Personen zufrieden, aber wenig offen für Innovation oder Risiko. Komfort und Flexibilität sind für einen komfortorientierten Individualisten ein starkes Argument. Neue Mobilitätsangebote? Lieber nicht. Komfortorientierte Individualisten sind innovativen Mobilitätsideen eher skeptisch eingestellt und haben vor allem gegenüber den unterschiedlichen Formen des Carsharings großen Zweifel.
Gemeinwohlorientierte Großstädter
Mehr als die Hälfte der Personen dieser Gruppe legen ihre alltäglichen Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn zurück. Die vor allem weiblichen Personen sind älter als der durchschnittliche Teilnehmer und am zweithäufigsten in Großstädten vertreten. Sie erzielen darüber hinaus durchschnittliche Werte in den Bereichen Innovation, Risikobereitschaft und Lebenszufriedenheit. Dabei fühlen sie sich mehr als die anderen Gruppen dazu verpflichtet, im Sinne der Allgemeinheit zu handeln. Sie legen Wert auf Flexibilität, Sicherheit und Kosteneffizienz- ein PKW und das Zu-Fuß-Gehen erfüllen diese Bedürfnisse am besten. Sie sind für die verschiedenen Formen des Carsharings offen. Das autonome Fahren und Elektrofahrzeuge überzeugen sie eher weniger.
Risikoscheue Traditionalisten
Diese Gruppe macht den kleinsten Teil der Erhebung aus und präferiert das Auto.
Nur wenige nutzen das Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr. Risikoscheue Traditionalisten sind zumeist weiblich, im Durschnitt am ältesten und wohnen in mittelgroßen Städten. Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit ist dieser Gruppe weniger wichtig – sie sind weniger innovativ und risikobereit. Generell herrscht eine große Skepsis gegenüber neuartigen Mobilitätsformen. Besonders das Elektroauto steht bei risikoscheuen Traditionalisten in keinem guten Licht.
Jeder von uns kennt Personen aus dem Umfeld, die er einem bestimmten Mobilitätstypus zuordnen würde. Welcher Mobilitätstyp seid ihr? Oder kann man Euch gar nicht in eine Schublade stecken?
Übernächste Woche erfahrt Ihr hier, was den Deutschen bei dem Thema Mobilität am Wichtigsten ist. Ist Sicherheit wichtiger als Flexibilität? Und wie wird das innovative Ride- Sharing bewertet?
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Literaturverzeichnis:
1 Fachhochschule Potsdam; Freie Universität Berlin (Hg.) (2018): MonForSense. gefördert von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Online verfügbar unter https://monforsense-results.fh-potsdam.de, zuletzt aktualisiert am 28.06.2018, zuletzt geprüft am 03.09.2019.